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Glückselige Weihnachtstage im Schnee sind der Klassiker unter den festlichen Kindheitserinnerungen.

Allerdings nicht für die Kids, die seit 2010 in Mitteldeutschland auf die Welt gekommen sind. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben sie noch nie weiße Weihnachten erlebt.

Schneewahrscheinlichkeit zu Heiligabend
im mitteldeutschen Flachland

Vielleicht würde es ja helfen, Heiligabend einfach zu verschieben. Das schauen wir uns genauer an. Denn, so ganz und gar nicht im Sinne der Festtagsromantik, wird von Zeit zu Zeit gemunkelt: Weihnachten und Schnee gehören terminlich einfach nicht zusammen.

Taten sie noch nie.

Von der Schneepracht vergangener Jahre

… zeugt schließlich das größte weihnachtliche Kulturgut überhaupt: Weihnachtslieder!

Zum Beispiel: O Tannenbaum.

Okay, hier ist bloß von Jahreszeiten die Rede, aber nicht von Weihnachten. Und eine Strophe weiter heißt es nur:

Diese Zeile macht das Lied auch nicht gerade zu einem Beweis für ein schneereiches Fest – und führt Weihnachten nur als Beispiel für die ganzjährige Baumfreude an. Eigentlich kein Wunder: O Tannenbaum war ursprünglich ein Liebeslied und profitierte lediglich vom Trend, immergrüne Bäume zum Fest aufzustellen – und von einer textlichen Erweiterung durch den Leipziger Lehrer und Komponisten Ernst Anschütz, der es 1824 zum Weihnachtslied machte.

Neuer Versuch:

Ach nee, Moment, da fehlt der Weihnachtsbezug ja komplett.

Aber was ist eigentlich mit Leise rieselt der Schnee? Immerhin heißt es darin:

Der könnte aber auch im Advent schon weihnachtlich glänzen, denn …

… bedeutet, dass wahrscheinlich noch gar nicht Weihnachten ist. Und irgendwann im Dezember ist Schnee zumindest wahrscheinlicher als zu Weihnachten. Überhaupt kam dieser weihnachtliche Gassenhauer erst reichlich spät auf den Markt: 1895. Da war das Fest längst verklärt!

Fehlt nur noch Kling, Glöckchen. Da …

Dass Schnee liegt, hat allerdings niemand gesagt.

Aber es gibt da einen echten Klassiker, der Schnee und Weihnachten zielsicher zusammenbringt:

I’m dreaming of a …

Hat nur drei Haken:

1. Das Lied entstand erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts – da war die romantische Vorstellung der weißen Weihnacht längst verbreitet.

2. Das Lied kommt aus Nordamerika mit komplett anderen Wetterbedingungen.

3. Das oft ignorierte Intro geht so:

White Christmas ist also zu allem Überfluss ein kalifornisches Weihnachtslied und versinnbildlicht nur noch deutlicher die prototypisch weiße Vorstellung vom Fest. Und die Erinnerungen, die der Erzähler zu haben vorgibt.

Von Nordamerika nach Palästina.

Zum Ursprung von Weihnachten

Angesichts der geografischen Lage gab es dort zur Geburt von Jesus Christus ziemlich sicher keinen Schnee.

Das sieht man auch seit eh und je an den Deko-Krippen, die eigentlich das Heilige Land darstellen und kein verschneites Europa. Zumindest solange niemand vorsorglich das Krippendach mit Watte dekoriert hat. In Mitteleuropa sah das anders aus – einige Jahrhunderte später, zur Kleinen Eiszeit.

Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert war es auf der Welt merklich kühler. Die Winter waren lang und damit bedrohlich. Im Grunde gab es wenig Schönes daran und nun wirklich keinen Grund, Schneefall zu romantisieren.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es wärmer in Europa. Und ab diesem Zeitpunkt wissen wir auch so in etwa, in welchen Jahren Schnee gelegen hat und in welchen nicht.

Dazu haben wir die Daten von 174 Messstationen in Mitteldeutschland ausgewertet. Und die zeigen: Flachlandschnee am Heiligabend war auch Ende des 19. Jahrhunderts nur selten der Fall – und ein grünes Fest durchaus üblicher. Im 20. Jahrhundert änderte sich das nur unmerklich.

Schneewahrscheinlichkeit zu Weihnachten
in Prozent je Jahrzehnt

Unterhalb von 500 Metern Höhe hat es nach 2010 tagsüber keine Schneedecke am Heiligabend mehr gegeben.

Da es ganz schön ist, wenn der Schnee zur abendlichen Bescherung zu rieseln beginnt, lassen wir noch die Messdaten für den ersten Weihnachtsfeiertag einfließen. Macht die Schneelage aber irgendwie auch nicht viel besser.

Unterhalb von 500 Metern Höhe hat es nach 2010 tagsüber keine Schneedecke am Heiligabend mehr gegeben.

Da es ganz schön ist, wenn der Schnee zur abendlichen Bescherung zu rieseln beginnt, lassen wir noch die Messdaten für den ersten Weihnachtsfeiertag einfließen. Macht die Schneelage aber irgendwie auch nicht viel besser.

Wobei wir mal kurz klären sollten, was Schnee eigentlich heißt. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) unterscheidet das so:

Wir beziehen uns auf ersteres, die geschlossene Schneedecke. Ein Häufchen hie und da oder einfach nur angezuckert zählt nicht. Für den jeweiligen Tag gilt der Schnee, der morgens um 7 Uhr lag. Das ist eine standardisierte Messzeit. Was im Umkehrschluss bedeutet: Wenn es abends zur Bescherung zu schneien beginnt und der Schnee auch noch liegen bleibt, kommt dieser Schneefall dem ersten Weihnachtstag, dem 25. Dezember zu Gute.

Welchen Zeitpunkt auch immer man bevorzugt: Richtig gut lief es für mitteldeutsche Festtagsromantikerinnen und -romantiker nur in den 1930ern und 1960ern. Mindestens jedes zweite Weihnachten war weiß. Aber trotzdem lässt sich kaum sagen, dass in der Vergangenheit weiße Weihnachten die Regel waren.

Kaum verwunderlich

… dass man nach der Kleinen Eiszeit Mitte des 19. Jahrhunderts den Schnee auf Weihnachtskarten gar nicht untergebracht hat – wie dieses Postkartenmotiv von 1845 aus England zeigt. Zu sehen ist Father Christmas, eine Art historischer Weihnachtsmann.

Die Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez hat in den 1990ern Postkartenmotive untersucht, um zu ermitteln, wann der Mythos um die weiße Weihnacht eigentlich begann. Sie hat herausgefunden, dass vor 1850 kein Schnee auf Postkarten zu finden ist und Gestaltungen mit der weißen Pracht bis in die 1860er eher unüblich waren.

Danach sei die Modeerscheinung Schnee aber die Regel geworden. Auf einer Kartenillustration von 1863 ist ordentlich Weiß zu sehen.

Diese Entwicklung kann verschiedene Gründe haben: Zum Beispiel entdeckten im 19. Jahrhundert zunächst wohlhabende Briten den Alpentourismus rund ums Fest. Und dort lag eben Schnee.

Außerdem ist es wahrscheinlich, dass die Weihnachtsgrüße ausgewanderter Europäerinnen und Europäer aus Übersee ihr Übriges taten. In Neuengland, den Mittelatlantikstaaten oder in Kanada ist die Schneelage zum Fest eben eine ganz andere.

Alles ungeachtet der Tatsache, dass in Europa grün die Farbe des Weihnachtsfestes sein müsste: Heute gibt es dafür zwei Gründe. Fangen wir mit dem an, der damals wie heute Gültigkeit hat.

Weihnachts- tauwetter

Dieses Phänomen existiert mindestens seit Beginn der Wetterdatenerfassung (und wahrscheinlich noch viel länger).

Um es statistisch nachzuweisen, schauen wir auf sieben gut verteilte DWD-Standorte in Mitteldeutschland, die schon möglichst lange Temperaturen und Schneehöhen aufzeichnen. Vier dieser Standorte sind in Städten, die anderen drei auf recht hohen Bergen.

Und tatsächlich sieht man bei allen Stationen einen historisch regelmäßigen Temperaturanstieg kurz vor Weihnachten:

Solche regelmäßigen Wetterereignisse nennt man:

Singularität

Den Grund für ihre Pünktlichkeit kennt man zwar nicht, aber sie sind statistisch nachweisbar.

Singularitäten
Witterungsregelfälle anhand der Wetterstation Jena-Sternwarte

Das fällt auf, wenn wir auf die Verlaufskurve der mittleren Temperatur über ein ganzes Jahr hinweg schauen. Hier der Durchschnitt für fast 200 Jahre in Jena, wo die Wetterstation seit 1824 Daten aufzeichnet.

Eigentlich müsste diese Kurve so ähnlich wie eine glatte Sinuskurve aussehen. Sie hat aber ziemliche Zacken.

Manche dieser Zacken sind bekannte Singularitäten, wie die Schafskälte oder eben das Weihnachtstauwetter.

Das fällt auf, wenn wir auf die Verlaufskurve der mittleren Temperatur über ein ganzes Jahr hinweg schauen. Hier der Durchschnitt für fast 200 Jahre in Jena, wo die Wetterstation seit 1824 Daten aufzeichnet.

Eigentlich müsste diese Kurve so ähnlich wie eine glatte Sinuskurve aussehen. Sie hat aber ziemliche Zacken.

Manche dieser Zacken sind bekannte Singularitäten, wie die Schafskälte oder eben das Weihnachtstauwetter.

Das Weihnachtstauwetter kann sehr milde Luft mit sich bringen. Bei über zwanzig Grad tat man am Heiligabend 2012 in München sogar das, was Münchnerinnen und Münchner bei so einem Wetter üblicherweise zu tun gedenken.

Auch wenn wir nicht genau wissen, warum es passiert: Wir wissen, wie es passiert. Kurz gesagt, feuchte und für einen Winter sehr milde Luft kommt vom Atlantik zu uns.

Wunderbaren Anschauungsunterricht lieferte da ein Jahr, dessen Dezember in mehrerer Hinsicht extrem war. Das Jahr 2009.

Extrem war einerseits, wie schnell sich Mitte Dezember die hier blau dargestellte große Kälte von Russland bis nach Mitteleuropa ausbreitete.

Die Tiefsttemperaturen sanken am 19. Dezember vielerorts in Deutschland auf unter minus 20 Grad.

Aber dann kam’s dicke: ein Weihnachtstauwetter allererster Güte. Dank milder Luft vom Atlantik wurde Deutschland noch während der Weihnachtsfeiertage vom Eise befreit.

Extrem war einerseits, wie schnell sich Mitte Dezember die hier blau dargestellte große Kälte von Russland bis nach Mitteleuropa ausbreitete.

Die Tiefsttemperaturen sanken am 19. Dezember vielerorts in Deutschland auf unter minus 20 Grad.

Aber dann kam’s dicke: ein Weihnachtstauwetter allererster Güte. Dank milder Luft vom Atlantik wurde Deutschland noch während der Weihnachtsfeiertage vom Eise befreit.

Im Temperaturverlauf deutlich zu sehen: Die mittleren Werte kletterten fast überall in Deutschland binnen drei Tagen (19. bis 22. Dezember) um 15 bis 20 Grad nach oben, im Bergland wie im Flachland.

Neben der Wettersingularität ums Weihnachtstauwetter gibt es aber noch einen zweiten Grund, warum das Fest in der Regel grün ist. Der Grund ist so naheliegend wie richtig:

Die Sache mit dem Klimawandel

Die durchschnittlichen Dezember-Temperaturen für die Zeit von 1881 bis 2021 zeigen das deutlich.

Gab es im Dezember-Mittel früher noch häufige Ausschläge in den Minusbereich, war das in der jüngeren Vergangenheit schon jahrelang nicht mehr der Fall.

Die letzten elf Jahre lagen durchschnittlich weit über null Grad im Dezember. So wird
das natürlich nichts mit Schnee.

Die durchschnittlichen Dezember-Temperaturen für die Zeit von 1881 bis 2021 zeigen das deutlich.

Gab es im Dezember-Mittel früher noch häufige Ausschläge in den Minusbereich, war das in der jüngeren Vergangenheit schon jahrelang nicht mehr der Fall.

Die letzten elf Jahre lagen durchschnittlich weit über null Grad im Dezember. So wird
das natürlich nichts mit Schnee.

Also nie wieder Schnee zum Fest? Nun, stecken Sie mal nicht den Kopf in den Streusand. Wir schauen noch mal auf vier mitteldeutsche Städte.

Eigentlich müsste man Heiligabend nur auf einen anderen Tag legen, um wenigstens mal irgendwann mit Schnee in den Tag zu starten und Weihnachten schneesicherer zu gestalten:

Zusammengerechnete Schneehöhen
2011 bis 2021 in Magdeburg, Leipzig, Jena und Görlitz

Mit anderen Worten: Von 2011 bis 2021 hat an jedem Dezembertag mal irgendwo in einer der vier Städte Schnee gelegen – nur am Heiligabend nicht, zumindest nicht um sieben Uhr morgens. Für Schneefans ist also zu überlegen, die Feierlichkeiten im anglo-amerikanischen Stil auf den Morgen des 25. Dezember zu verlegen, damit die Chancen besser stehen, dass Santa auch wirklich durch den Schnee gestapft (oder geflogen) kommen kann. Ein alternativer Bescherungstermin wäre auch, ganz ursprünglich, der Nikolaustag.

Da Weihnachtszeit auch Besuchs- und Reisezeit ist, hat das Tauwetter sowieso irgendwie sein Gutes. Es bleibt zumindest das Schneechaos erspart. Und damit das

Daten und Text: Robert Rönsch, Florian Zinner
Redaktion: Peggy Grunwald, Matthias Vorndran
Realisation und Grafik: Henne / Ordnung

Bildrechte:
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